Teterow. Voller Sorge ist Käthe Niemeyer* in den vergangenen Wochen zum Briefkasten gelaufen. Grund dafür war die erwartete Jahresrechnung für das Jahr 2022 ihres Energieversorgers, der Stadtwerke Teterow.
Üblicherweise werden die Abrechnungen am Anfang des Jahres erstellt und bis spätestens Februar versendet. Der erste „neue“ Abschlag wäre dann auch im Februar von Käthe Niemeyers Konto eingezogen worden. Doch dieses Mal war alles anders.
Energieversorgungsunternehmen sind deutschlandweit seit Monaten im Dauerstress. Ursachen dafür sind neben den gestiegenen Einkaufspreisen aufgrund des Ukraine-Krieges die Einführung der so genannten Gas-, Wärme- und Strompreisbremsen, welche die Bundesregierung angekündigt hatte. Was bei den Kunden für Erleichterung sorgte, verursachte bei den Energiedienstleistern ein immenses Pensum an zu bewältigenden Herausforderungen. Denn allein die Festlegung, Bürger zu unterstützen, ist längst nicht das Ende der Fahnenstange. Das im September 2022 von der Bundesregierung beschlossene Entlastungspaket sollte die Menschen vor allem schnell und unbürokratisch erreichen. Erst wurde die Umsatzsteuer für Gas und Fernwärme von 19 auf 7 Prozent gesenkt, dann die Dezember-Soforthilfe offeriert.
Allein Letztere bedeutete für die Energieversorger einen enormen personellen und finanziellen Mehraufwand. Zunächst musste geprüft werden, wer überhaupt entlastungswürdig war. Erschwerend kam hinzu, dass die Entlastungsbeträge für Fernwärme und Gas bei Privatkunden auf verschiedene Arten berechnet werden mussten.
Für Fernwärme bedeutete dies, dass jeder Kunde 120 Prozent des im September 2022 gezahlten Abschlags gutgeschrieben bekam.
Die Gaskunden wiederum wurden mit 1/12 der prognostizierten Jahresverbrauchsmenge bedacht. Wie genau die Entlastung konkret ausgesehen hat, haben die Kunden dann allerdings erst ihrer Jahresrechnung entnehmen können.
Die Dezember-Abschläge konnten sich die Versorgungsunternehmen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) einfordern, was ebenfalls zusätzlichen bürokratischen Aufwand bedeutete. Kurzfristig mehr Personal einstellen? Keine probate Lösung, denn die neuen Abläufe waren derart komplex, dass selbst langjährige Mitarbeiter der Unternehmen geschult werden mussten. Alle angefragten externen Dienstleister konnten nicht unterstützen, weil keine Kapazitäten bei ihnen vorhanden waren.
Die Jahresrechnungen für 2022 und die ab April (rückwirkend ab Januar) greifenden Preisbremsen stellen die Versorger vor weitere Hürden. Die Computersysteme, welche die Verbräuche und künftigen Abschläge aufgrund des prognostizierten Verbrauches berechnen, waren für diese „Neuerungen“ gar nicht ausgelegt. Zudem betraf diese Situation zeitgleich deutschlandweit jeden Energieversorger und die Systemhäuser sahen sich mit einer nie dagewesenen Situation konfrontiert. „All diese Probleme hat der Gesetzgeber bei seiner Entscheidungsfindung nicht ausreichend berücksichtigt“, weiß Hagen Frank Böhme, Geschäftsführer der Stadtwerke Teterow. „Wir dürfen jetzt die Sozialpolitik der Bundesregierung ausbaden.“ Das Unternehmen steht mit seiner Einschätzung nicht allein da – nur im Gasbereich mussten bundesweit etwa 20 Millionen Verträge angepasst werden.
Die Stadtwerke Teterow sind, wie die gesamte Branche, davon abhängig, dass die IT-Dienstleister die Preisbremsen, Umsatzsteueränderungen usw. fristgerecht im System abgebildet bekommen. Dafür mussten neue Programmbestandteile entwickelt und an die Versorger ausgeliefert werden. Erst Ende Februar waren alle notwendigen Updates eingespielt. Daraus resultierend konnten die von vielen Haushaltskunden erwarteten Jahresrechnungen erst Anfang März erstellt und versendet werden. Bei den Sondervertragskunden wird derzeit noch an den Umsetzungen der Abrechnungsvorgaben gearbeitet. Die üblicherweise bereits im Februar fälligen Abschlagszahlungen mussten vorerst ausgesetzt werden, was eine große finanzielle Belastung für das Unternehmen ergab.
Doch nicht nur diese Tatsachen sorgen für reichlich Unsicherheit im Arbeitsalltag des kommunalen Unternehmens. Von den in der Politik viel gepriesenen Unterstützungen, wie beispielsweise dem Hilfsprogramm für energieintensive Industrien oder gar einem länderpolitisch initiierten Schutzschirm für Stadtwerke, ist in Teterow nichts zu merken. In der Abschlusserklärung des Energiegipfels M-V vom 22.08.2022, hieß es noch:
„Wenn kommunalen Unternehmen krisenbedingt ein Liquiditätsengpass droht, wird die Landesregierung den Städten als Gesellschaftern der Stadtwerke ermöglichen, ihre Unternehmen unbürokratisch mit Liquiditätsdarlehen und Bürgschaften zu unterstützen. Die Landesregierung wird beim Bund dafür eintreten, dass auch Stadtwerke und andere kommunale Unternehmen unter einen Schutzschirm des Bundes gestellt werden.“
Getan hat sich diesbezüglich bis heute nichts. Förderprogramme für angeschlagene Stadtwerke gibt es nach wie vor nicht. Helfen können jetzt kurzfristig nur noch Kredite oder aber Ausfallbürgschaften der Kommunen. Aber auch diese Lösung stellt sich schwierig dar, denn hier gilt es, die gesetzlichen Regularien, die eine Energiekrise nicht berücksichtigen, einzuhalten. Erschwerend kommt hinzu, dass der politische Zusammenhalt auf kommunaler Ebene lange Zeit nicht so zielführend war, wie man es seitens des Stadtwerks gehofft hatte.
Besser geht es da den Energieversorgern in Schleswig-Holstein. Dort hat Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Bündnis90/Grüne) einen Schutzschirm für Stadtwerke eingerichtet, um deren Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Rund 250 Millionen Euro hat das Land in Form von Bürgschaften für Kredite zur Verfügung gestellt. Dies hätte man sich in Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls gewünscht, erklärt der Teterower Stadtwerke-Chef Böhme. Realistisch betrachtet ist dieser Kampf ohne die Unterstützung der Stadt und der Kommunalpolitik hoffnungslos.
Käthe Niemeyer hingegen ist inzwischen beruhigter. Anfang März bekam sie ihre Jahresrechnung für 2022 und konnte sich freuen, dass sie dank umgesetzter Energiespar-Maßnahmen und die Erhöhung ihrer monatlichen Abschläge seit September 2022 ein kleines Guthaben aufbauen konnte. „Der erwartete Schock ist gottseidank ausgeblieben“, resümiert sie. „Aber wenn das dicke Ende noch gekommen wäre, hätte ich mit den netten Mitarbeitern meiner Stadtwerke ganz sicher eine Lösung gefunden.“
*Name von der Redaktion geändert